Sie hören auf dieser Seite die Aufnahmen, sehen die Bilder und lesen die Geschichte eines 1952 von Steingraeber gebauten Kleinklaviers.
Nachdem ich festgestellt hatte, dass das Klavier auf der Tonhöhe von 424 Hertz stand, fragte ich den Kunden nach seiner Wunschtonhöhe. Aufgrund zahlreicher weiterer Instrumente im Raum, war mir schon klar, dass das Klavier fit gemacht werden musste, für das Zusammenspiel mit anderen Musikinstrumenten. So verwunderte es mich nicht, als der Kunde die 1939 eingeführte Normtonhöhe von 440 Hertz nannte.
Vorsichtshalber wies ich auf die Risiken hin, die aufgrund meiner Erfahrung bei älteren sowie in diesem Fall bei Kleinklavieren gegeben sind. Die Gefahr von Saitenbrüchen ist grundsätzlich nicht auszuschließen, erhöht sich jedoch in Abhängigkeit vom Alter sowie konstruktiven Besonderheiten. Die Theorie wird dabei häufig durch die Praxis bestätigt. Zwar kann man gerissene Saiten erneuern, doch oftmals halten die Stimmnägel anschließend nicht mehr die Spannung so gut wie die anderen Saiten. Das Risiko und die möglichen Konsequenzen sind für den Kunden nachvollziehbar, aber der Wunsch bleibt bestehen. Also mache ich mich vorsichtig ans Werk.
Das so genannte Höherstimmen ist eine Besonderheit der Klavierstimmung. Sie betrifft Instrumente, die längere Zeit nicht gespielt und daher auch nicht gestimmt worden sind. Das Klavier ist dann nicht nur in sich verstimmt, sondern die Stimmtonhöhe ist oftmals mehr oder weniger stark abgefallen. Dass es sich um eine Spezialdisziplin handelt, kann man daran ersehen, dass das Höherstimmen von kaum einem Klavierstimmer im Angebot geführt wird. Um sich diese Fähigkeit zu erarbeiten, muss man längere Zeit unter industriellen Bedingungen arbeiten. Wenn nämlich Klaviere neu besaitet werden, ist es eben eine Standardtätigkeit, diese höher zu stimmen.
Falls sich also ein Klavierstimmer überhaupt auf das Thema einlässt, wird er von Anfang klären, dass er das Klavier mehrfach stimmmen muss. Dieser Vorgang wird zusätzlich erschwert, da es sich eingebürgert hat, das Klavier zwischen den Stimmungen wochenlang ruhen zu lassen. So richtig spielbar ist ein Piano dann erst nach Monaten! Die Kosten sind am Anfang nicht überschaubar, da der Kollege meist nicht sagen kann, ob er es in zwei, drei oder noch mehr Stimmungen schafft, die Wunschtonhöhe zu erreichen. Dem Kunden wird also die Bereitschaft abverlangt, sich auf ein zeitlich und preislich nicht definierbares Experiment einzulassen, wenn er sein Klavier unbedingt höher gestimmt haben will. Das ist bei der Klavierstimmerei Praeludio® anders. Denn ich biete die Vor- und Endstimmung nicht nur in einem Termin, sondern auch noch zum Festpreis der Grundstimmung zuzüglich des Festpreises der Vorstimmung an. Der Kunde weiß also, wann das Instrument spielbar ist und er kennt vorher den Endpreis. Keine Überraschungen - außer dass hier ein Klavierstimmer offensichtlich eine kundenorientierte Leistung zu fairen Preisen realisiert.
Hören Sie im folgenden die deutliche Verstimmung auf 424 Hertz und vergleichen Sie diese mit der Endstimmung auf 440 Hertz.
Steingraeber 424 Hertz verstimmtDas Instrument ist wie schon erwähnt ein Kleinklavier. Das heißt, das Klavier ist knapp über einen Meter hoch. Die Klaviere wurden kleiner, um die Gewinnspannen der Hersteller aufgrund der Materialeinsparung zu optimieren. Dabei verloren die Klaviere an Höhe. Das heißt, der Klangkörper wurde kleiner und damit verbunden wurden die Saiten kürzer. Kein Wunder also, wenn Kleinklaviere weniger schön klingen, als man das von den hohen, äußerlich schönen alten Pianofortes her noch im Ohr hat. Die kürzeren Saiten bringen beim Stimmen oftmals Probleme mit sich. Eine selten angesprochene Tatsache ist das schlechte Saitenmaterial, das in Deutschland bis vor kurzem als Standard verwendet worden ist, obwohl es schon lange besseres Saitenmaterial gab. Das heißt konkret, dass die einzelnen Saiten in sich unrein sind. Das bedeutet, dass Einzelsaiten Nebenschwebungen haben, die verhindern, dass sich der Ton sauber stimmen lässt. Lässt sich der aus meist mehreren Einzelsaiten bestehende Klavierton nicht sauber stimmen, ist es kaum möglich, die Intervalle sauber zu stimmen. Und trotzdem soll das Endergebnis in der Tonhöhe passen und die Stimmung ein einwandfreies Musizieren gemeinsam mit anderen Instrumenten ermöglichen. Das erfordert vom Stimmer ein Höchstmaß an Erfahrung sowie den Einsatz zeitgemäßer technischer Hilfen. Beides bietet die Klavierstimmerei Praeludio® mit der selbst entwickelten Hybrid-Stimmtechnik primaTEK©.
Ist das Klavier sehr niedrig, so sind auch die Hebelverhältnisse der Klaviatur und der Klaviermechanik minimiert. Darunter leidet das Spielgefühl sowie das Dynamikspektrum des Tasteninstruments. Das trifft selbstverständlich auch dann zu, wenn man in so ein Instrument die beste Mechanik von Renner (Stuttgart) einbaut.
Aber die technische Optimierung war ja auch gar nicht das Ziel dieser Modelle, sondern einzig und allein die Absicht, in der Produktion Material einzusparen. Dass man dabei letztlich Qualität verloren hat, ist eine traurige Konsequenz des Klavierbaus, die man aber billigend in Kauf genommen hat. Der zur Zeit offensichtlich werdende Niedergang der Klavierindustrie hat somit eine lange Vorgeschichte und ist im Wesentlichen selbst verschuldet. In dem Zusammenhang ist es dann beinahe widersprüchlich, wenn man beim Blick unter den Spieltisch auf dem Resonanzboden am Bass-Steg eine so genannte Bass-Brücke entdeckt, die den Klang im Bassbereich optimieren soll.
Ohne die massiven Störungen der Verstimmung kann man nach der Endstimmung den Klang überhaupt erst einschätzen. Die gute Stimmung lädt erst zum Hinhören ein.
Steingraeber 440 Hertz gestimmt